Als ich 2006 zum ersten Mal als Flagfootball-Quarterback auf dem Spielfeld stand, hatte ich wenig Ahnung. Es gab keine ausgeklügelten Spielzüge, ich war taktisch ein kompletter Anfänger und die gegnerischen Defenses kannte ich ohenhin nicht. Ich spielte einfach drauf los. Im Lauf der Jahre hat sich das glücklicherweise geändert und ich habe meine ganz eigene Spielphilosophie entwickelt, die ich euch im nächsten Blogartikel vorstellen werde. Heute nähere ich mich dem Thema auf einer allgemeineren Ebene an.
Der Erfolg einer Flagfootball-Offense hängt für mich hauptsächlich von drei Faktoren ab:
+ Spielzüge
+ Qualität der Offense-Spieler
+ Gegnerische Defense
Die ersten beiden Faktoren sind stark voneinander abhängig, das Thema Defense kann man isoliert betrachten. Als Quarterback und Offense-Coach der Styrian Studs war ich für die Entwicklung und Auswahl der Spielzüge verantwortlich. Die Offense-Planung für die neue Saison begann bei mir bereits kurz nach Beendigung der Vorsaison. Ich gönnte mir zwar nach der Flag Bowl ein paar Wochen Pause, war aber durch das regelmäßige Verfolgen der NFL wieder schnell im Planungsmodus zurück. Den Startschuss gaben dabei Ideen, die ich von Spielzügen der NFL-Teams abschaute. Ich konnte zwar nichts ganz genau übernehmen, aber gewisse Kombinationen von Laufwegen der Receiver waren für mich immer die ersten und besten Inspirationen. Ich liess auch sonst meiner Kreativität freien Lauf und hatte bis zum Trainingsstart im Jänner eine ordentliche Anzahl an neuen Spielzügen entwickelt. Während des Hallentrainings wurden diese soweit wie möglich verfeinert und verbessert, um beim Trainingslager vor dem ersten Meisterschaftsspiel eine große Auswahl zur Verfügung zu haben.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt kamen die Offense-Spieler als wichtiger Faktor ins Spiel. Klarerweise hatte ich in der Planungsphase immer unsere Aufstellung und die verfügbaren Receiver mit ihren Stärken und Schwächen im Kopf. Ob ein Spielzug funktionierte und ob er vor allem mit meinen Receivern funktionierte, zeigte sich immer erst im Lauf des Trainingslagers. Mein Ziel war, vor Saisonbeginn das finale Playbook mit etwa 25 Spielzügen, die wir jeweils auch noch spiegeln konnten, fertig zu haben. Während der Saison perfektionierten wir diese Spielzüge. Manchmal waren kleine Anpassungen erforderlich, aber im Großen und Ganzen war es hauptsächlich wichtig, sie immer wieder zu wiederholen. Die Basis für eine gute Leistung der Offense waren perfekt ausgeführte Spielzüge, unabhängig davon, wie stark die gegnerische Defense war.
Ich hatte das große Glück, sowohl bei den Styrian Studs als auch im Nationalteam, mehrere Jahre lang genau die Spieler zur Verfügung zu haben, die perfekt für meine Idee einer idealen Offense passten. Oder war es umgekehrt? Passte ich die perfekte Offense an die vorhandenen Spieler an? Egal. Wichtig waren für mich zwei schnelle Wide Receiver. Die Schnelligkeit der beiden nutzte ich hauptsächlich für lange Pässe oder für schnelle, kurze Passrouten wo die Spieler quer auf die andere Seite des Spielfelds liefen und dabei idealerweise ihren jeweiligen Verteidiger abschüttelten. Die beiden inneren Receiver, der Slot Receiver und der Center, sollten idealerweise auch schnell, aber vor allem wendig sein. Ich setzte sie meistens für kürzere Passrouten ein, die auf beide Seiten des Spielfelds führen konnten. Ein schneller erster Schritt nach dem Cut war dabei viel wichtiger als Sprinterqualitäten.
Der dritte große Faktor, die gegnerische Defense, war nur in manchen Spielen tatsächlich relevant. Flag Bowl, Champions Bowl, Nationalteam. Unsere Gegner im Grunddurchgang der nationalen Meisterschaft waren zum größten Teil schwächer als wir und dadurch waren taktische Feinheiten nicht ganz so relevant. Die Flag Bowl hingegen war stets ein ganz spezieller Fall, in Wahrheit bereiteten wir uns das ganze Jahr darauf und im Speziellen auf ein mögliches Duell gegen die Klosterneuburg Indians vor. Wir waren zwischen 2006 und 2015 die besten und konstantesten Mannschaften, knapp dahinter lagen die Vienna Constables. Wir spielten so oft gegeneinander, dass wir die Spielanlagen des jeweils anderen perfekt kannten und versuchen mussten, den Gegner mit neuen Varianten in der Offense zu überraschen. Das führte dazu, dass ich Spielzüge entwickelte, die wir ausserhalb des Trainings erstmals in der Flag Bowl einsetzten, weil wir nicht wollten, dass diese auf irgendeinem Video auftauchten. In Summe waren die Spiele gegen die Indians immer sehr knapp und hochklassig, aufregend waren sie aber nach so vielen Duellen nur mehr, wenn es um den österreichischen Staatsmeistertitel ging. Viel interessanter waren für mich die Champions Bowl und das Nationalteam, weil wir dort regelmäßig gegen neue Gegner antraten.
Wie in vielen anderen Bereichen hatten wir auch beim Scouting der Gegner eine Lernkurve zu bewältigen. Während wir bei der ersten Champions Bowl 2007 in Ferrara antraten, ohne zu wissen, wer uns eigentlich gegenüberstand, begannen wir im Laufe der Zeit, sowohl bei den Styrian Studs als auch im Nationalteam, unsere Gegner zu filmen. Zwischen den Spielen und vor allem abends machten wir und unsere Coaches Überstunden, um uns bestmöglich vorzubereiten. Wir änderten zwar aufgrund der Videoanalyse kaum unsere Spielzüge, wussten aber genau, welche wir am besten einsetzen und welchen Verteidiger wir speziell attackieren sollten. Für mich als Quarterback war es wichtig, im Vorfeld zu sehen, welche Defense-Varianten unsere Gegner spielten, wie sie sich aufstellten und wie stark die einzelnen Spieler waren. Bestes Beispiel dafür war das WM-Halbfinale gegen Mexiko (weitere Infos dazu folgen in meinem Buch). Trotzdem waren die allerwichtigsten Erfolgsfaktoren ganz einfach: Ein perfekter Laufweg, ein perfekter Pass, ein perfekter Catch. Denn wie heißt es so schön: A perfect pass beats a good coverage!
Die Basis für eine erfolgreiche Flagfootball-Offense ist damit gelegt: Gute Spielzüge, die die Stärken der Receiver ausnutzten und ein Kenntnis der Schwächen der jeweiligen Defense. Im nächsten Blogartikel werde ich euch von meiner persönlichen Spielanlage und meinen taktischen Vorlieben erzählen.