Während die Flagfootball-Gemeinde bereits den Olympischen Spielen im Jahr 2028 entgegenfiebert, richten sich in den kommenden Tagen alle Augen auf die bevorstehende Weltmeisterschaft in Finnland. Bei diesem Turnier werden nicht nur die besten Teams der Welt gekürt, sondern auch die Olympiareife der Sportart unter Beweis gestellt.
Die Flagfootball-Weltmeisterschaft 2024 wird mit einer Rekordbeteiligung von 32 Teams bei den Männern und 23 Teams bei den Frauen stattfinden. Alle Kontinente sind vertreten, ein gutes Zeichen für das Wachstum und die Popularität des Sports. Für viele Teams ist es ein erstes Kräftemessen auf einer derart großen Bühne. Ich erwarte keine allzu großen Überraschungen, die Favoriten sind dieselben wie bei den letzten großen Turnieren. Allerdings darf man nicht unterschätzen, dass die Weltmeisterschaft das erste große internationale Turnier nach Bekanntgabe der Entscheidung, Flagfootball 2028 zum olympischen Sport zu machen, ist. Es wird sich zeigen, ob einige Nationen bereits erste interne Schritte als Vorbereitung für die Olympischen Spiele gemacht haben. Was meine ich damit?
Grundsätzlich ist es unwahrscheinlich, dass sich die Kräfteverhältnisse innerhalb von wenigen Jahren groß verschieben. Einen X-Faktor darf man dabei aber nicht außer Acht lassen: Tackle-Footballspieler, die sich aufgrund ihrer olympischen Ambitionen auch im Flagfootball versuchen wollen. Es gab und gibt immer wieder Nationen, die vereinzelt Tackle Spieler eingesetzt haben und das mit großem Erfolg. Das italienische Team zeigte mit Quarterback Luke Zahradka und Receiver Jordan Bouah bei der Weltmeisterschaft 2021 und den World Games 2022 Weltklasseleistungen. In den Jahren darauf spielten die beiden in der semiprofessionellen European League of Football und standen somit nicht für das italienische Flagfootball-Nationalteam zur Verfügung. Das Resultat war, dass Italien seine Konkurrenzfähigkeit verlor.
In vielen Ländern ist eine Diskussion entbrannt, ob man sich bei der Kaderzusammenstellung auf Spieler konzentriert, die ausschließlich Flagfootball spielen oder, wie beispielsweise Deutschland, jeder zu einem offenen Probetraining kommen kann, wo die besten Spieler – seien es Tackle Footballer oder nicht – nominiert werden. Der vereinzelte Einsatz von Tackle Footballern hat sicherlich dazu beigetragen, dass Deutschland nach vielen Jahren der Durststrecke wieder zu den besten Nationen aufgestiegen ist, der Gewinn der Europameisterschaft 2023 war Beweis dafür. Kanada und Japan sind Nationen, die im Tackle-Bereich große Erfolge erzielt haben, aber im Flagfootball deutlich hinterherhinken. Sollten sie sich entscheiden, den Weg Richtung Olympia mit Tackle-Footballern zu bestreiten, erwarte ich von ihnen deutliche Leistungssteigerungen.
Wie zu erwarten war, ist die Diskussion um dieses Thema in den USA bereits jetzt heftig entbrannt. Der US-amerikanische Quarterback Darrell Doucette beschwerte sich kürzlich darüber, dass diverse NFL-Stars davon ausgingen, dass sie Team USA bei den Olympischen Spielen in Los Angeles repräsentieren könnten. Dies wäre laut Doucette respektlos gegenüber den derzeitigen US-Flagfootball-Stars, die die letzten Jahre ihre internationale Konkurrenz dominiert hatten. Seiner Meinung nach sollte es zumindest eine Art Tryout geben, um die besten Spieler für Team USA zu finden. Je näher das Jahr 2028 rückt, desto brisanter wird diese Diskussion werden.
Bei den diesjährigen Weltmeisterschaften erwarte ich (noch) keine großen Überraschungen. Die Favoriten auf den Finaleinzug sind sowohl bei den Damen als auch bei den Herren die Teams aus USA und Mexiko. Bei den Herren wird Deutschland die Mannschaft sein, die es im Kampf um die Bronzemedaille zu schlagen gilt. Gute Chancen räume ich auch Österreich, Panama und Dänemark ein. Mein Tipp für Platz 3 bei den Damen ist Österreich, das wieder mit Saskia Stribrny als Quarterback aufs Feld laufen wird, Großbritannien könnte im Kampf um Platz 3 auch ein Wörtchen mitreden.
Die am Dienstag in Lahti mit den Gruppenspielen beginnende Weltmeisterschaft wird in vielen Bereichen neue Maßstäbe setzen. Eine Rekordanzahl an Teams, eine deutlich professionellere Medienarbeit der IFAF, ein starkes lokales Organisationskomitee, der Einsatz einer neuen Statistiksoftware und eine weitaus größere mediale Vorberichterstattung als bei allen bisherigen Weltmeisterschaften versprechen ein Flagfootball-Spektakel der Sonderklasse.
Die kommenden Jahre werden entscheidend dafür sein, welchen Platz Flagfootball in der globalen Sportlandschaft einnehmen wird. Wenn die Sportart ihren Aufwärtstrend fortsetzen kann, indem sie die Herausforderungen meistert und die Chancen nutzt, kann es gelingen, sich nachhaltig in der weltweiten Sportlandschaft zu etablieren.